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Die Stühle 21.03.2011 – Wiesbadener Tagblatt

IDSTEIN

Von Susanne Gross

AUFFÜHRUNG Bockenheimer Theaterensemble gastiert mit „Die Stühle“ von Ionesco im „Speicher“

Das Bockenheimer Theaterensemble gastierte mit „Die Stühle“ von Eugène Ionesco im Idsteiner „Speicher“. Martin F. Herndlhofer, Monika Reif und die erst zehnjährige Rahel Rosenkötter präsentierten absurdes Theater als tragische Farce.

Zwei Stühle auf der noch unausgeleuchteten Bühne. Ein Harlekin im bunten Kostüm kommt die Treppe herab und greift zum Cello. Er nimmt vor dem Publikum Platz und spielt eine kleine Melodie. Am Ende seines Auftritts schaltet er das Licht an und holt die beiden Hauptakteure des Abends auf die Bühne: Poppet, einen Greis von 95 Jahren, platziert er mit dem Rücken zum Publikum. Dessen Frau Semiramis lässt sich auf einem der Stühle nieder. Der Dialog zwischen den beiden Alten beginnt.

In dem 1952 uraufgeführten Einakter des rumänisch-französischen Dramatikers Ionesco steht das seit fünfundsiebzig Jahren miteinander verheiratete Paar im Mittelpunkt. Ionesco nutzt die Bühne für ein Szenario, das zwischen Absurdität und Entlarvung menschlicher Verhaltensweisen pendelt. So integriert er in das neunzigminütige Theaterstück typisches Rollenverhalten von Mann und Frau. Semiramis möchte noch immer mehr in ihrem Mann sehen, als er erfüllen kann und konnte.

„Du hättest Chef-Dirigent werden können oder Chef-Schreiner, Chef-Matrose“, hält sie ihm vor. Auch ermuntert Semiramis ihren Mann, endlich der Menschheit seine Botschaft zu verkünden. Doch gleich darauf jammert sie einschränkend: „Das könnte zu anstrengend werden“. Poppet hingegen reicht seiner Frau immer wieder einen Becher: „Trink Deinen Tee“, bevormundet er sie.

Bizarre Dialoge, Satzfragmente, Wiederholungen, philosophische Überlegungen, Erinnerungen - Ionesco verbindet all dies miteinander. Liegen die widersprüchlichen Gedankengänge der Alten an deren nachlassendem Erinnerungsvermögen oder stellt Ionesco in der Wahl der Worte die Absurdität des menschlichen Lebens dar? Die Antwort bleibt den Zuschauern überlassen.

Martin F. Herndlhofer spielt den zwischen Bedauern und Botschaft wandelnden Poppet als „Hausmarschall“. „Es fällt mir so schwer, mich auszudrücken“, jammert er. Deshalb hat er einen professionellen Redner engagiert, um der Welt seine Botschaft zu verkünden. Während Poppet und Semiramis auf diesen Redner warten, drängen imaginierte Besucher in ihr Haus.

Die beiden Alten schleppen Stühle heran und begrüßen die Gäste. Spannungen, Verdrängtes und Unterwürfigkeit treten ans Tageslicht. So taucht eine frühere Liebe von Poppet auf, die er noch immer umschwärmt. Der Besuch einer zweiten Dame lässt in Semiramis Eifersucht entbrennen. Hier zeigt sich Monika Reif besonders stark: Ihre Worte werden schnippisch, sie verzieht ihr Gesicht, klammert und hängt sich an ihren Mann.

Das Szenario spitzt sich zu. Schwebende Ballons und Stühle befüllen die Bühne. Geschäftigkeit, Überforderung und Aufregung herrschen vor. Verzückung und Bedauern drücken sich aus. Der Höhepunkt: Plötzlich erscheint der Kaiser. Semiramis reduziert ihre Persönlichkeit nun gänzlich auf ein schwaches Echo ihres Mannes.

Sie wiederholt nur noch dessen Sätze oder Satzenden. Poppet hingegen schwebt zwischen der fast schon größenwahnsinnigen Vorstellung, dass allein er in der Lage gewesen wäre, das Volk zu retten und dem Eingeständnis von Versagen. Trost und Hoffnung sind ihm nur noch der beschworene Redner.

Die von Regisseur Michael Becker als Harlekin inszeniert Figur, soll den Anwesenden endlich Poppets Botschaft verkünden. Doch der Harlekin erschießt am Ende die beiden Akteure.

Dann nimmt er noch einmal vor dem Publikum Platz, spielt seine Melodie auf dem Cello - und lässt das Publikum mit offenen Fragen, Spiegelungen und Absurdität zurück.